Italien ist strabiliante (erstaunlich): Das ist das Adjektiv, das Rossella Dimola auswählt, um ihre Heimat zu beschreiben. Griechen, Römer, Byzantiner und Normannen, aber auch Araber und Germanen, und später Französen, Spanier und Österreicher: All diese Völker haben Italiens Erscheinung geprägt. „Eine solche vielfältige Konzentration von verschiedenen Einflüssen kann man woanders kaum finden“, behauptet Dimola. Dabei denkt sie an den Unterschied beispielsweise zwischen Venedig und Palermo oder Lecce und Como. „Es sind unterschiedliche Welten, die auch voneinander entfernt sind. Jedoch sind sie auch nah und gehören zu einem Ganzen. Dieses Ganze verdankt man der Sprache und dem gemeinsamen Kulturgut. Es ist kein Zufall, dass Italien das schönste Land der Welt ist. Der Grund dafür ist sicherlich auch das geografische und klimatische Glück, aber es ist vor allem Künstlern wie Michelangelo, Leonardo, Brunelleschi und vielen anderen, die dieses Land gemacht haben, zu verdanken“, erklärt Dimola.
Egal wo man auf der Halbinsel unterwegs ist, überall findet man etwas Schönes: eine Villa, eine Kirche oder ein Gemälde – ein Zeichen des Geistes. „Deswegen ist Italien ein Wunderland und erstaunt immer aufs Neue“, fügt die Florentinerin hinzu.
Zu ihren Lieblingsorten gehören Matera in der Basilikata und das nahe gelegene Altamura, wo man das berühmte Brot einfach probieren muss. Sie liebt auch sehr den Platz Santo Spirito in ihrem Florenz, denn er ist randvoll mit Schönheit, Geschichte und Leben. Dimola meint, dass noch viele Regionen kaum bekannt sind: Darunter sind Molise, Basilikata und Abruzzen, aber „auch die bekanntesten Regionen bescheren den Touristen noch einige Überraschungen, wie beispielsweise die Ortschaften Asciano und Badia di Passignano in der Toskana oder die kleineren Inseln der Lagune in Venetien,“ sagt Dimola und empfiehlt allen, Italien langsam zu genießen – auch die berühmten Städte. Den „Italien-Anfängern“, die das Belpaese noch nicht kennen, schlägt sie Städte wie Venedig, Florenz, Rom, Palermo und Neapel oder die Strände Sardiniens und die Dolomiten vor, aber auch den Dom von Parma und den Tempel in Segesta, Urbino und Paestum, Matera und Bergamo Alta sollte man besichtigen.
Wie nimmt Rossella Dimola von München aus ihr Land wahr?
Dass Italien ein Land reich an Ressourcen ist, bezweifelt sie nicht, aber sie werden leider nicht ganz ausgeschöpft – dabei denkt sie an die erneuerbaren Energien, an die archäologischen Ausgrabungen und an die vielen Kunstschätze, die nicht genutzt oder sogar verkommen sind. Und sie denkt auch an die vielen jungen Italiener, die dazu gezwungen sind, auf der Suche nach einem Job, auszuwandern.
Auf die Frage, welches italienisches Wort sie bevorzugt, antwortet sie entschieden „innamorarsi“ (sich verlieben). „Ich meine nicht nur in eine Person, sondern auch in Dinge und Situationen. Dieses Wort besitzt die volle Grazie, Melodie und Harmonie des warmen Sommerwindes. Darüber hinaus erzeugt das Sichverlieben Begeisterung und Leidenschaft, eine wesentliche Gemütsverfassung im Leben“, erklärt Dimola. So unterschiedlich wie das Reiseland Italien sind auch die Leser ihrer Zeitschrift: Einige lieben Interviews und Rubriken, wie „L’Italia in diretta“, andere möchten träumen und bevorzugen somit die Reiseartikel, aber es gibt auch diejenige, die ihr Italienisch verbessern möchten und deswegen die Sprachseiten besonders mögen. „Es gibt aber Rubriken, die das Herz aller unseren Leser erobern, wie „Typisch italienisch“ oder „Il lessico dei sentimenti“ – diese letzte wird bald durch eine neue genauso spannende Rubrik ersetzt, aber bis dahin bleibt das noch ein Geheimnis,“ sagt Dimola lächelnd.
Rossella Dimola ist Chefreakteurin von ADESSO, einem Sprachmagazin der ZEIT Gruppe www.adesso-online.de
Interview: Nicoletta De Rossi Bild: Rossella Dimola, privat