Eine tiefe beeindruckende Schlucht trennt Ragusa Ibla von Ragusa Superiore, die durch drei Brücken miteinander verbunden sind. Der Hügel Ibla wurde bereits im dritten Jahrtausend v. Chr. bewohnt. 1693 zerstörte ein Erdbeben die ganze Region, danach wurden hier zwei Städte gebaut: die eine auf den Trümmern der alten, unteren Ragusa, die andere ganz neu, oberhalb der alten Stadt, und erst 1927 vereinten sich die beiden. Bei dem Wiederaufbau nach dem katastrophalen Erdbeben verwandelten die damaligen, sehr kreativen Steinmetzer Ragusa in einen Garten aus Stein. Jede Fassade und jeder Balkon wurden mit anmutigen Figuren, Blumen und Dekorationen verziert. Deswegen entdeckt man heute an jeder Ecke unzählige prächtige Fassaden im Barockstil. Viele dieser Fassaden wurden in Ragusa Ibla schon zu lange nicht mehr restauriert, doch verliebt sich jeder in den morbiden und verträumten Charme dieser einzigartigen Stadt.
An einer Bar sitze ich und bestaune die Kirche, zu deren Hauptportal eine eindrucksvolle Treppe führt. Ähnlich imposant ist auch die Kathedrale San Giovanni Battista im oberen, moderneren Stadtteil: Dort imponiert das religiöse Gebäude mit einer großen Terrasse über den Arkaden, wo sich kleine Lokale aneinander reihen. Die abwechslungsreiche Fassade mit Monumentalportal wird von einem riesigen Glockenturm mit Spitzhaube dominiert. Abends wimmelt es dort von Menschen, die das besondere Flair genießen.
Barocke Schönheit
Ich steige die 242 Stufen der Treppe hinunter, die in der Nähe der Kirche Santa Maria delle Scale startet. Von oben hat man einen beeindruckenden Ausblick auf die Stadt in der Schlucht. Ich bewundere jede Fassade und jede mit Blumen aus Stein umrahmte Tür. Einige wirken sehr zerbrechlich: Am liebsten möchte ich sie mit den Händen stützen. Dahinter verstecken sich oft gewöhnliche Gebäude, denn damals wurden fast immer nur die Fassaden geschmückt. Ob ich den Barockstil besonders mag? Es spielt eigentlich keine Rolle, denn diese alten Paläste ziehen jeden in ihren Bann. Daher ist es kein Zufall, dass achtzehn Barockgebäude von Ragusa zum UNESCO-Weltkulturerbe gehören. Über dem großen länglichen Domplatz thront der Dom San Giorgio mit einer imposanten Barockfassade des Architekten Rosario Gagliardi (1738-1775).
In Ragusa Ibla erwartet mich später das wundervolle Portal von San Giorgio im gotisch-katalanischen Stil, das Symbol dieses Stadtteils. In der Lünette zeigt ein Bassrelief den heiligen Georg, der den Drachen tötet. Im grünen Stadtpark in der Nähe ruhe ich mich aus und lasse die Eindrücke auf mich wirken. Die letzten Sonnenstrahlen beleuchten die Juwelen dieser Stadt, die in der Nacht wie ein Krippenspiel aussieht – und ich muss erneut staunen!
TIPP: Das Meer ist ganz in der Nähe in Marina di Ragusa. In dem knapp 25 km entfernten Fischerort erstreckt sich ein langer Sandstrand mit sonnigem Lungomare und 2,5 km langem Fahrrad- und Fußgängerweg.
Informationen: www.visitsicily.info
Text & Bilder: Nicoletta De Rossi