Wer einmal Gefallen an den Äolischen Inseln gefunden hat, kehrt gerne zurück. Die vielleicht schönste Art, sich diesem faszinierenden Archipel vor der Nordküste Siziliens – vielen unter dem Namen Liparische Inseln vertraut – zu nähern, ist eine Fahrt mit der S.V. Florette. Sie ist eine der letzten weltweit noch aktiv segelnden Brigantinen mit originaler Holzkonstruktion. In der Regel sind solche Schiffe heute nur noch auf Stichen, alten Schwarz-Weiß-Fotos oder in Schifffahrtsmuseen zu sehen. Von den Inseln Lipari, Salina, Stromboli und Vulcano liefen einst ganze Flotten eleganter Zweimaster aus, um Schwefel, Rosinen oder den Süßwein Malvasia mittelmeerweit bis nach London und sogar über den Atlantik zu transportieren. Mit dem Ausbruch des Vulkans auf der Insel Vulcano, durch den der Schwefelabbau zum Erliegen kam, begann das Ende der Windjammer auf den Äolischen Inseln. Es war Ende des 19. Jahrhunderts. Hinzu kamen die Reblausepidemie und der darauffolgende Zusammenbruch des Weinbaus.
S.V. Florette: eine echte Meerlady
Bei einer ihrer letzten Fahrten als Frachtsegler hatte die S.V. Florette Bimsstein in Lipari geladen. Die 1921 in der Toskana vom Stapel gelaufene Brigantine war ursprünglich für den Transport von Carrara-Marmor konstruiert worden. Kapitän und Eigner Giovanni Telaro segelte sein Schiff bis 1967, dann wurde es zu einem Passagierschiff mit Kabinen im ehemaligen Frachtraum umgebaut. Seit 1982 ist der 38 Meter lange Zweimaster im Besitz der Familie Haynes, die ihn liebevoll restauriert hat und, wie ursprünglich, als Brigantine takelt. In einer auf Holzschiffsbau spezialisierten Werft im sizilianischen Licata wird die Florette regelmäßig überholt. Sie ist absolut hochseetauglich und war im Winter 2023/24 zuletzt wieder in der Karibik unterwegs.
S.V. Florette: Seafood und Seemannsgarn
Die S.V. Florette ist ein historisches Segelschulschiff, das unter maltesischer Flagge fährt und die höchsten Sicherheits- und Umweltstandards erfüllt. Seit 2020 ist sie als Ecoship zertifiziert und setzt Segel und Zeichen für einen umweltfreundlichen und nachhaltigen Tourismus. Auch als Frachtsegler ist die Florette wieder im Einsatz und transportiert Marago-Kaffee von Kalabrien zu den Liparischen Inseln sowie Bio-Wein aus Italien nach Malta. Mit Kapitän Rony steht die zweite Haynes-Generation am Steuer. Er kennt die Gewässer um die Äolischen Inseln, seit er im zarten Alter von zwei Wochen zum ersten Mal an Bord kam. Jaden und Amber, die Töchter von Rony und seiner Frau Nicole, sind auf dem Schiff herangewachsen. Eine Lehrerin begleitete sie dabei. Das Leben zur See wird auch ihr Leben in Zukunft bestimmen.
Unter der Leitung der sympathischen Crew, bei der Deutsch und Englisch die Bordsprachen sind, legt jede(r) beim Segelsetzen und Belegen der Taue mit Hand an und wird so Teil eines tollen Teams. Für die Bordverpflegung sorgt Nicole Haynes. Sie ist erster Maat und eine exzellente Köchin. Soweit möglich, stammen die köstlichen Zutaten von lokalen Erzeugern und Fischern. Zu jeder Mahlzeit wird kalabrischer Bio-Wein serviert. Das Trinkwasser wird direkt an Bord in einem aufwendigen Filterverfahren aufbereitet und kann frisch gezapft werden, auf Wunsch auch aufgesprudelt – ein aktiver Beitrag zur Vermeidung von Plastikabfall.
Leinen los!
Die Segelsaison im Mittelmeer erstreckt sich von April bis November. In dieser Zeit ist Vibo Marina der Liegeplatz der S.V. Florette. Der Hafen an der Ostküste Kalabriens ist problemlos mit der Bahn zu erreichen und liegt zirka 35 km südlich des Flughafens Lamezia Terme sowie nur 42 Seemeilen nordwestlich der Insel Stromboli. Während der Überfahrt findet eine Einweisung in die wichtigsten Bordregeln, Kommandos und die Kunst des Segelknotens statt. Das Programm der Törns richtet sich dabei im wahrsten Sinne des Wortes nach Wind und Wetter. Und immer wieder bietet sich die Möglichkeit, an Deck eine Siesta zu halten.
Welches ist die schönste Insel?
Unbeschreiblich das Gefühl und der Anblick, wenn die S.V. Florette unter vollen Segeln fährt! Unvergesslich sind auch die Bade- und Schnorchelstopps in den schönen Ankerbuchten. Zu bestimmten Terminen werden auch Tauchtörns oder kombinierte Kajak-Touren angeboten. Das sanfte Wiegen, das einen nachts in den Schlaf schaukelt, möchte man bald nicht mehr missen. In der Regel werden die Inseln Panarea, Salina, Lipari und Vulcano angelaufen, wobei immer Zeit für einen Landgang und die Erkundung der Inseln zu Fuß oder mit dem Motorroller bleibt. Auf der Rückfahrt legt die S.V. Florette vor Stromboli an: Es ist ein beeindruckendes Erlebnis, diesen aktiven Krater in der Dunkelheit zu sehen. Am nächsten Morgen heißt es ein letztes Mal, die Segel zu setzen. Auf der Route des antiken Helden Odysseus geht es zurück nach Kalabrien. Das gemeinsame Deckschrubben ist ein fröhliches Abschiedsritual. Zur Belohnung folgt ein Sprung ins offene Meer vor der Kulisse Tropeas. Von hier aus ist es nur ein kurzer Trip zurück nach Vibo Marina, wo das Segelabenteuer begonnen hat.
Informationen: www.svflorette.com
Nachhaltig unterwegs: Seit Jahren kooperiert Florette mit dem Reiseveranstalter BUND-Reisen und bietet kombinierte Segel- und Wanderreisen zu den Liparischen Inseln an. Die Anreise erfolgt mit der Bahn, sodass sich auf der Hin- oder Rückreise die Gelegenheit bietet, Zwischenstopps einzulegen. Nach der ersten Nacht an Bord heißt es „Leinen los”. Zehn Tage ist die Florette anschließend auf See – genügend Zeit, um die faszinierende Inselwelt mit all ihren Facetten kennen und lieben zu lernen. Oft beginnt und endet der Tag mit einem Sprung ins kristallklare Meer.
Lesefutter: Die Odyssee von Homer und den Reisebegleiter »Liparische Inseln – Wandern und Genießen zwischen Ätna und Vesuv« aus dem Rotpunktverlag.
Text und Bilder: Peter Amann