Als sich das pulsierende Herz von Cesena, die Piazza del Popolo, vor uns öffnet, herrscht reges Treiben auf dem großen Platz. Es wimmelt von Menschen, welche die letzten Vorbereitungen für die Giostra all’Incontro beobachten. Nach fast 200 Jahren wird sich die Giostra heuer wieder auf dem Hauptplatz der Stadt am Fluss Savio abspielen, wie schon für vier Jahrhunderte (von 1465 bis 1838): was für eine Kulisse für diesen Palio! Unter den Leuten spürt man Aufregung, Erwartung und Neugierde. Immer mehr Menschen strömen zum Platz, viele auch mit dem Fahrrad, dem Verkehrsmittel Cesenas schlechthin, um die Altstadt zu erreichen. In der Menge treffen wir auf schön kostümierte Damen und Herren: Für einen Augenblick denkt jeder, in der Renaissance zu leben.
Die Stadt der Malatesta
Bunte Palazzi mit Arkadengalerien im Erdgeschoss und der, nach manieristischem Geschmack erbaute Natursteinbrunnen Masini schmücken den Platz, der von Andrea Malatesta beauftragt wurde. Aus der Zeit der Herrschaft Malatesta stammt auch die imposante Rocca Malatestiana, die an einer Seite des Platzes gen Himmel ragt. Bei Sonnenuntergang färbt sie sich rosa und erzeugt eine romantische Stimmung. Von der Spitze des Bollwerks aus genießt man einen atemberauenden Ausblick über die ganze Stadt. Im grünen, von Mauern beschützten Hof fühlt man sich in die Zeit von Galeotto Malatesta, der 1380 den Bau der Burg beauftragte, zurückgesetzt – und von dessen Nachfolgern Andrea und Novello. Wenn man am Abend durch die langen Treppen wieder zum Hauptplatz hinabsteigt, hat man den Eindruck, Teil einer mittelalterlichen Szenerie zu sein.
Die Biblioteca Malatestiana
Wir laufen unter den Arkaden der Straße Via Zefferino Re. Unser Führer Ivan übersetzt für uns die Sprüche in der lokalen Mundart, die auf großen Plakaten dort hängen. Vorbei am schönen Palazzo del Ridotto und an einem Kiosk, der Piadine, die Spezialität der ganzen Region, verkauft, erreichen wir die weltberühmte Biblioteca Malatestiana. Die humanistische Bibliothek, die Cesena Novello Malatesta verdankt, ist die älteste bürgerlich-städtische Bibliothek Europas. Seit 1452 hat sie sich perfekt erhalten und deswegen wurde sie 2005 zum Weltdokumentenerbe der UNESCO ernannt. Ivan macht uns auf das Tympanon über dem Eintrittstor aufmerksam, wo der indische Elefant, Sinnbild der Malatesta thront. Auch das Motto der Familie ist zu lesen: „Elephas Indus culices non timet“ („Der indische Elefant fürchtet keine Mücke“). Das wunderbare Nussbaumhölzerne Portal zieht jeden Besucher in seinen Bann: Innen erwarten ihn drei Schiffen, die durch zwanzig beeindruckende Säulen geteilt sind. Innerhalb dieses beeindruckenden Raums, der mehr an eine Kirche als an eine Bibliothek erinnert, gibt es 58 Schreibpulte, wo 343 wertvolle Kodizes aufbewahrt werden. Gegenüber befindet sich die Piana Bibliothek, die Papst Pius 7. der Stadt schenkte.
Abends treffen sich die Einheimischen beim traditionellen Abendspaziergang in der Altstadt. Die Straßen sind voll, genauso wie die Restaurants. Wir genießen unsere Mahlzeit auf einem kleinen Platz. Aufgetischt werden die Spezialitäten der Region: Piadine und Tagliere mit Käse- und Wurstspezialitäten und üppige Portionen hausgemachte Tagliatelle al ragù und gefüllte Nudeln.
Radtour nach Montiano
Eine Rocca Malatestiana entdecken wir auch in Montiano, das wir am darauffolgenden Tag mit dem Fahrrad erreichen. Gegen 9 Uhr wartet die MTB-Führerin Maela auf uns mit den vorbereiteten Fahrrädern: Sogar unser Name ist auf der Lenkstange zu lesen. Es geht los, vorher auf den gut ausgebauten Radwegen der Stadt und danach auf normalen Straßen. Wir fahren unter der strahlenden Sonne. Gleich nach Cesena führt die Straße nach oben, denn ringsum erheben sich die ersten sanften grünen Hügel mit Weinreben und Obstbäumen. Auf der Strecke passieren wir auch eine kleine Brücke über den Fluss Rubikon – den Caesar 49 v. Chr. überschritt und damit den römischen Bürgerkrieg begann. In Montiano besuchen wir die ursprünglich aus dem 9. Jh. stammende Rocca Malatestiana. Oben genießen wir einen wunderschönen Blick auf die Umgebung und die kleine Altstadt. Ein schönes Panorama hat man auch vom Hügel des Monumento ai Caduti aus. Die Straße wird immer steiler, aber wir schaffen es hinauf bis zum Castello di Montiano aus dem 11. Jh. Hier bietet sich ein atemberaubender Ausblick über die ganze Region, bei schönem Wetter bis zur Adria-Küste.
Informationen:
Cesena: https://www.comune.cesena.fc.it/cesenaturismo
www.lionscesena.com/it/audioguide/
Guide Ivan Severi: ivan.severi@gmail.com
Unione Valle Savio: www.unionevallesavio.it
I percorsi del Savio: https://ipercorsidelsavio.it/
Über die Region Emilia-Romagna: https://emiliaromagnaturismo.it/de, www.visitromagna.it und www.italia.it
Übernachten & Einkehren
Hotel Casali Cesena: Das Hotel in der Nähe der Altstadt verfügt neben gemütlichen Zimmern über moderne Wellness- und Fitness-Bereiche. Gutes Frühstück mit frischen lokalen Produkten. www.hotelcasalicesena.com
Im großen Hof der Rocca Malatestiana gibt es ein kleines Lokal, das Livemusik anbietet. Dort kann man auch einige lokale Gerichte zu sich nehmen, wie beispielsweise die Piadina farcita oder die Cappelletti al ragù.
Ristorante Castello Montenovo di Montiano: Man speist in einem großen Saal der Burg mit großer Panoramaterrasse. Zu Tisch kommen typische Gerichte der Region, wie Tagliatelle al ragù und allerlei Gegrilltes. Via Castello Montenovo 74, Tel. +39 0547 327012
E-MTB-Verleih
Maela Cavazza: www.ebikestyle.it
Text: Nicoletta De Rossi – Bilder: Harald G. Koch + Nicoletta De Rossi