„Bassano del Grappa und Possagno bilden gemeinsam einen einzigartigen Museumspool, den man unbedingt besuchen muss, wenn man Antonio Canova in seiner Gesamtheit verstehen möchte“, erklärt Fernando Rigon Forte. Der ehemalige Leiter des Museo Civico, des städtischen Museums in Bassano del Grappa, ist ein ausgewiesener Experte, wenn es um den klassizistischen Bildhauer geht. Der Todestag Canovas jährt sich 2022 zum 200sten Mal. Der am 1. November 1757 in Possagno geborene und am 13. Oktober 1822 in Venedig verstorbene Canova zählte laut Forte zu den gefragtesten Künstlern seiner Zeit, was sich durch europaweite Auftragsarbeiten berühmter Zeitgenossen belegen lasse. So entstanden ein Grabmal für Papst Clemens XIII. im Petersdom in Rom, eine Statue Napoleons mit der Canova den Kriegsherren als Friedensstifter und Mars interpretiert oder Napoleons Schwester Pauline Borghese als verführerische siegreiche Venus. Die von der griechischen Antike inspirierten Marmorskulpturen Canovas sind weltweit ausgestellt, beispielsweise die „Drei Grazien“ in der Ermitage in Sankt Petersburg, „Amor und Psyche“ im Pariser Louvre oder „Paride“ in der Münchner Neue Pinakothek.
Die Gipsothek Canovas in Possagno
Ein Besuch in der Gipsothek in Canovas Geburtshaus in Possagno bietet einen einzigartigen Einblick in die Schaffensweise des Künstlers, der in einer aufwändigen Prozedur von der Idee zu seinen Skulpturen bis zu deren künstlerischen Realisierung als Marmorstatue gelangte. Die Ausstellung im Geburtshaus zeigt den Weg von den ersten Skizzen, über ein kleines, rudimentäres Tonmodell und eine fertig ausmodellierte Tonskulptur in Originalgröße, von der zuerst ein Gipsabguss und anschließend ein Gipsmodell gefertigt wurden. Dieses Gipsmodel versah der Bildhauer mit zahlreichen Bronzenägeln, die dazu dienten, Maße und Proportionen auf den Marmor zu übertragen, aus dem schließlich die endgültige Skulptur entstand.
Das Erbe Canovas in Possagno und Bassano del Grappa
Gegenüber dem Geburtshaus thront auf dem Berg eine imposante Kirche im Stil eines Tempels. Der Künstler selbst hat den Tempio Canoviano entworfen und seinem Geburtsort gestiftet. Bis auf das Herz, das als Reliquie in Venedig verwahrt wird, ruhen dort die sterblichen Überreste des Canovas. Lohnenswert: die vielen Stufen zur auf der Kuppel gelegenen Terrasse zu erklimmen, um von dort die Aussicht zu genießen.
Dass der künstlerische Nachlass nach Canovas Tod in Possagno und im städtischen Museum im rund zwanzig Kilometer entfernten Bassano del Grappa gelandet ist, verdanken die beiden Städte Canovas Stiefbruder. Nach dem Tod des Künstlers hatte dieser, die zahlreichen Gipsstatuen, die sich in Canovas Werkstatt in Rom befanden, nach Possagno gebracht und die Skizzen und Briefe Bassano del Grappa gestiftet. Dort ist in einem Konvent aus dem 17. Jahrhundert das städtische Museum untergebracht, in dem neben den Skizzen und Briefen unter anderem auch ein skizzenhaftes Tonmodell der „Drei Grazien“ zu besichtigen ist.
Informationen: Gipsothek, Geburtshaus und Tempio Canoviale in Possagno www.museocanova.it
Tipp: Nach dem Besuch der Ausstellung „Io, Canova genio europeo“ in Bassano del Grappa lockt die am Ausläufer der Dolomiten gelegene Stadt mit einem Spaziergang durch seine lebhafte historische Altstadt. Vorbei an Geschäften, kleinen Bars und Cafés geht es von dem an der Piazza Garibaldi gelegenen Museum, über die Piazza Libertà hinunter zur Brenta, zum Wahrzeichen der Stadt: der Ponte degli Alpini. Die überdachte Holzbrücke geht auf einen Entwurf von Andrea Palladio aus dem Jahr 1569 zurück und wurde 2021 nach siebenjähriger Generalrestaurierung wieder offiziell an die Stadt übergeben. Ein Aperitif an der Ponte, die inzwischen Einheimischen wie Touristen als Treffpunkt dient, ist ein Muss bei jedem Bassano Besuch. Übrigens: Auch wenn sich dort zwei bekannte Grappa-Destillerien befinden, den Beinamen del Grappa hat Bassano nicht vom gleichnamigen Destillat, sondern vom Hausberg Monte Grappa.
Übernachten
Bonotto Hotel Bellvedere, 4-Sterne-Hotel fußläufig zum Zentrum. www.hotelbelvederebassano.com/
Hotel dal Ponte, 3-Sterne-Hotel an der neuen Brücke: www.hoteldalponte.it
Hotel al Castello, kleines Familienhotel im Zentrum: www.hotelalcastello.it
Text und Bilder: Maren Recken