Der Blick über das Tal lässt einen sprachlos staunen: Die Sonne geht auf, der Nebel fällt, und Assisi verschwindet fast wie in einem Märchen in den Wolken. Dies ist das atemberaubende Panorama, das ich jeden Morgen vom Relais Il Poggio degli Olivi aus genieße. Der Herbst ist im Anmarsch, und die großen Temperaturunterschiede zwischen Nacht und Tag lassen dieses magische Phänomen entstehen. Sobald die Sonne hoch am Himmel scheint, ist die Sicht auf Assisi und auf die herumliegenden Hügel wieder klar. Ich blicke Richtung Süden, dort erwarten mich heute zwei der schönsten Dörfer Italiens (Borghi più belli d’Italia): Bevagna und Montefalco. Andiamo!
Das mittelalterliche Bevagna
In Bevagna begibt sich der Besucher auf Zeitreise, zurück ins Mittelalter. Auch der Nebel, der gerade die Ortschaft umhüllt, verstärkt den mittelalterlichen Charme. Allerlei Botteghe prägen hier Plätze und Gassen – sogar auf den Wänden der Kirchen sind die alten Maße für Ziegel und Stoff zu entdecken. Dank seiner strategischen Lage in der Nähe wichtiger Flüsse war das altrömische Mevania wichtiges Handelszentrum der Region bis ins Mittelalter hinein. Die historische Veranstaltung des Mercato delle Gaite ist der Beweis für die alte handwerkliche Tradition der Stadt. Dabei werden die alten Berufe wieder inszeniert: Papier, Stoffe und Ziegel wurden hier über Jahrhunderte handwerklich produziert. Bei meinem Spaziergang stoße ich auf einige Geschäfte von Kaschmir-Strickwaren: Die Versuchung auf eine spontane Shoppingtour wird größer! Neben den mittelalterlichen Mauern sind heute noch vier Tore aus dieser Zeit zu bestaunen, aber die ganze Struktur von Bevagna ist mittelalterlich geprägt. Das Ensemble von Palästen, Häusern und Kirchen am asymmetrischen Piazza Silvestri beeindruckt mich – vor allem die Kirche San Michele aus Travertin und Subasio-Stein mit dem zauberhaften Portal aus wieder verwerteten Materialien und einem großen hölzernen Kruzifix aus dem 15. Jh. im Inneren.
Montefalco: die Stadt des Sagrantino
Sobald man ein paar Meter nach oben fährt, scheint die Sonne vom blauen Himmel, während der Nebel unten im Tal hartnäckig weiter liegt. Der Name der Ortschaft geht zurück auf die Zeit von Friedrich II.: Der Stupor Mundi hielt sich in der kleinen umbrischen Stadt zwischen 1249 und 1250 auf. Kein Wunder, dass ein Falke auf dem Stadtwappen abgebildet ist. Das Dorf thront auf einem Hügel, auf dem der runde Platz Campo del Certame jeden Blick auf sich zieht – hier laufen alle Straßen des Dorfes zusammen. Auf den Platz blicken zudem viele schöne Paläste. Einheimische genießen die herbstliche Sonne bei einem Aperitif. Montefalco ist vor allem wegen des Rotweins Sagrantino weltweit bekannt. Vom Belvedere aus kann man die bebaute Landschaft um die Ortschaft mit vielen Weinreben und Olivenhainen betrachten, da das Mikroklima dieser Gegend nicht nur für Weine, sondern auch für Olivenöl einfach ideal ist.
Die Sonne neigt sich zum Horizont, als ich wieder bei Il Poggio degli Olivi ankomme. In der angeschlossen Ölmühle Mannelli beobachte ich das rege Treiben bei der Olivenernte, die gerade auf Hochtouren läuft: Die ganze Nacht über wird hier gearbeitet. Im eigenen Restaurant lasse ich mir die Kreationen vom Küchenchef Tommaso Minciotti schmecken und genieße den bezaubernden Blick auf das leuchtende Assisi unten im Tal.
Tipp: Der Sagrantino von Bocale. Die Weinlese des berühmten Sagrantino hat der Winzer Valentino Valentini schon hinter sich. Ein paar Kisten Trauben liegen noch auf der großen Tenne der Azienda. Mehr als 70% der Produktion exportiert der Familienbetrieb Bocale in die Welt. Aus sechs ha Weinbergen gewinnt er eine Jahresproduktion von knapp 35.000 Flaschen. Der nachhaltige Betrieb stellt biologische Weine mit natürlicher Gärung her. Das Aushängeschild des umbrischen Winzers ist der berühmte Sagrantino: Intensiv rubinrot mit leichten violetten Reflexen präsentiert sich der Montefalco Sagrantino, der erst 24 Monate in Eichenfass und danach für mindestens 12 Monate in der Flasche reifen muss. Neben der autochthonen Weinrebe Sagrantino baut Bocale noch Sangiovese, Colorino und Trebbiano Spoletino an. www.bocale.it
Informationen: www.umbriabenessere.eu – www.umbriatourism.it und www.enit.de
Übernachten
Il Poggio degli Olivi. Im Agriturismo wird man wirklich verwöhnt: vom großartigen Panorama auf Assisi, von den gemütlichen und komfortablen Zimmern mit den sympathischen Namen von Pflanzen, von den leckeren Speisen des Küchenchefs Tommaso Minciotti und von der großartigen begrünten Anlage mit Pool. www.poggiodegliolivi.com
Text & Bilder: Nicoletta De Rossi