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Stippvisite in Bergamo mit musikalischem Genuss

Entdeckungsreise in Bergamo: Die lombardische Stadt feiert ihren berühmtesten Sohn, den Komponisten Gaetano Donizetti, mit einem Opera-Festival.

„Die Glocke hoch oben im Stadtturm schlägt jeden Abend Punkt 22 Uhr genau einhundert Mal“, erzählt Chiara Gambirasio auf der abenddunklen Piazza Vecchia in Bergamo Alta. Und sogar die Pause im nahegelegenen Teatro Sociale richte sich nach den Glockenschlägen, berichtet die Fremdenführerin weiter. Der Grund: Solange dem noch nicht so war, hätten die Opernbesucher zwar die Glockenschläge, aber nicht die Arien der Sänger gehört. Ob es wirklich ganz genau einhundert Glockenschläge waren, haben wir nicht nachgezählt. Dafür haben wir jeden Ton genossen, mit dem die Solisten und das RAI-Sinfonieorchester bei der Eröffnungsgala des Donizetti Opera Festivals ihr Publikum begeistert haben. Wir sind auf Stippvisite in Bergamo Alta – einen knappen Tag und einen unvergesslichen Konzertabend lang.


Der Besuch in Bergamo Alta, wie der ältere Teil Bergamos, der hoch oben über Bergamo Bassa thront, genannt wird, ist ein erstes Eintauchen in Gaetano Donizettis Opernwelt, und ein Bummel durch eine bezaubernde Stadt, die sich ihre ursprüngliche Struktur bewahrt hat. Nicht zuletzt wegen der heute noch komplett erhaltenen Stadtmauer aus Zeiten venezianischer Vorherrschaft. 2017 wurde Bergamo deswegen in die Liste der UNESCO Weltkulturerbe aufgenommen. Als beispielhafte venezianische Verteidigungsanlage, gemeinsam mit den italienischen Städten Peschiera del Garda und Palmanova, sowie den kroatischen Städten Zadar und Sibenik und Kotor in Montenegro. Allesamt ins Festland verlagerte Vorposten, die die Vorherrschaft Venedigs sicherstellen sollten, wie Chiara Gambirasio beim Gang durch Bergamo Alta erzählt. Als die vier Stadttore, die auch heutzutage der einzige Zugang ins historische Bergamo Alta sind, noch jede Nacht verschlossen wurden, dienten die allabendlichen Glockenschläge dazu, den Bewohnern, die außerhalb auf den Feldern arbeiteten, hörbar zu machen, dass sie sich sputen müssen, um noch rechtzeitig hinter die schützenden Stadtmauern zu gelangen.

Bergamo und Gaetano Donizetti
Auf ihre Stadtmauer sind die Bergamasker mindesten genauso stolz wie auf den berühmtesten Sohn ihrer Stadt: Gaetano Donizetti. „Der wurde in ärmlichen Verhältnissen in einer Kellerwohnung im vor den Stadtmauern gelegenen Viertel Borgo Canale geboren,“ erzählt uns Chiara. Dass Donizetti sich überhaupt zu einem gefeierten Komponisten entwickeln konnte, verdanke er Simon Mayer, selbst geschätzter Opernkomponist, der in seiner Musikschule in Bergamo mittellose junge Talente förderte.
Aus Zeitmangel zeigt uns Chiara nur die Straße, in der Donizettis Geburtshaus steht, führt uns am Palazzo Scotti, wo Donizetti gestorben ist, vorbei und lässt uns an der Piazza Terzi einen Ausblick genießen, von dem schon Hermann Hesse schwärmte: „als ich mich umwandte stand […] ein Palastportal offen. Unter einem hohen reinen Bogen sah man einen Hof mit Pflanzen und hängender Laterne, dahinter standen traumhaft eine elegante Balustrade und zwei große Statuen mit scharfen Umrissen in der Luft“. Wir zücken die Fotoapparate, um den Ausblick mit Wow-Effekt festzuhalten, ehe die bereits einsetzende Abenddämmerung das Fotografieren schwierig macht.
Weil der Konzertbeginn immer näher rückt, drängt Chiara zum Weitergehen. Sie möchte noch so viel von ihrer Stadt zeigen: das Café La Marianna, wo 1961 das Stracciatella-Eis erfunden wurde; die Standseilbahn, die Bergamo Alta und Bergamo Bassa verbindet, die Haupteinkaufsstraße, die mit holprigen Pflaster und kleinen Geschäften zum Bummeln einlädt. „An der Piazza del Duomo ist das religiöse Zentrum Bergamos“, erklärt uns Chiara und zeigt auf das Baptisterium und den ihm gegenüberliegenden Dom. Ihn besichtigen wir ebenso wie die ebenfalls an der Piazza gelegene Basilika Santa Maria Maggiore, in der sich das Grab Donizettis befindet und in der wir kostbaren detailreichen Holzintarsien-Tafeln Lorenzo Lottos bewundern. Normalerweise werden die Schutztafeln vor den Intarsien, die kunstvoll biblische Szenen zeigen, nur an Feiertagen und nach Voranmeldung entfernt. Wir freuen uns, dass Chiara für uns drei der insgesamt 60 Intarsien öffnen lässt.

Die Legende rund um Colleoni
Direkt an die Basilika angebaut, ist die Cappella Colleoni. Grabmal von Bartolomeo Colleoni, einem in Bergamo geborenen berühmten italienischen Feldherr. Mit seiner üppig dekorierten rot-weißen Marmorfassade ist das Grabmal das prächtigste Gebäude an der Piazza. Und das mit einer leicht schlüpfrigen Legende. Demnach soll Colleoni mit drei, statt der normalerweise üblichen zwei, männlichen Attribute ausgestattet gewesen sein. In Anspielung auf diese Tatsache und auf die Ähnlichkeit seines Namens mit dem wenig feinen italienischen Wort „coglioni“, das ebenso unfein mit „Eier“ zu übersetzen ist, hatte Colleoni ein ganz besonderes Wappen: Dieses zeigt eben jene drei …. Das Wappen Colleonis am Kapellengitter zu berühren soll Glück bringen, erzählt Chiara und verneint entschieden, als wir sie fragen, ob sie selbst bereits ausprobiert habe, ob das stimme. „Ich bin eine signora, ich berühre doch nicht irgendwelche männlichen Attribute“, verweist sie wieder auf Hesse, der dieses Wappen als italienische Geschmacklosigkeit beschrieben haben soll. Auch wir verzichten auf die Probe aufs Exempel und gehen ins Teatro Sociale, das uns wieder einmal zu Staunen bringt. Die schlichte Außenfassade lässt nicht erahnen, dass das Theater, dessen Bau 1808 von einer Gruppe Adeliger finanziert wurde, im Inneren so prächtig ist. Eine imposante hölzerne Innenausstattung mit vier Rängen und einer hohen Holzdecke, die in ihrer Schlichtheit im Kontrast zu den prächtigen in Logen unterteilten Rängen steht, beeindruckt uns optisch. Der akustische Genuss folgt in Form des Eröffnungskonzerts zum Festival Donizetti Opera 2019.

TIPP: Festival Donizetti Opera
Im Rahmen dieses Festivals soll auch Donizettis Oper „Pietro il Grande, zar delle Russie“ im Teatro Sociale aufgeführt werden. Diese Aufführung ist Teil des Projekts #donizetti200 das bereits im dritten Jahr läuft und in dessen Rahmen jährlich eine Donizetti-Oper aufgeführt wird, die genau 200 Jahre zuvor Premiere hatte. 2020 wird das „Le nozze in villa“ sein.
Das Festival Donizetti Opera 2019 geht noch bis 1. Dezember 2019:
www.donizetti.org/en/festival-donizetti/festival-donizetti-opera-2019
Das Festival Donizetti Opera 2020 wird vom 19. November bis 6. Dezember 2020 stattfinden.

Informationen: www.visitbergamo.net

Text und Bilder: Maren Recken

Erscheinungsdatum: 29.11.2019

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