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Cimitero Acattolico: Oase der Stille im lauten Rom

Im Cimitero Acattolico ist die Stille spürbar und fasziniert mit dem Kontrast zum lauten, lebhaften Rom. Auch wenn ein Friedhof sicherlich nicht gerade zu den Top Ten der touristischen Sehenswürdigkeiten zählt, ist der Friedhof der Nichtkatholiken allemal einen Besuch wert.

Ich war schon oft in Rom und ich liebe die Stadt, aber ich war noch nie auf dem Cimitero Acattolico. Obwohl oder gerade weil sie laut und lebhaft ist, weil sie mit unzähligen Sehenswürdigkeiten aufwartet, weil sie noch viel mehr zu bieten hat als Kolosseum und Vatikan und  weil mich gerade in Rom immer wieder der Gegensatz von laut tobendem Leben und großer Stille fasziniert.

Römisches Szenenviertel Testaccio

Eben saß ich noch mit einem Aperitif in der Hand mitten im Stadtzentrum vor einer Bar, umgeben von einer Kakophonie aus Großstadtgeräuschen. Jetzt umfängt mich eine Stille, in die die Großstadtgeräusche lediglich wie durch Watte gedämpft vordringen. Und das nur wenige Metrostationen und ein paar Schritte entfernt. Mit der Linie B bin ich bis zur Haltestelle Piramide ins Szeneviertel Testaccio gefahren, das vor allem dafür bekannt ist, das man dort in zahlreichen Lokalen die typische römische Küche kennenlernen kann. Von der Metrostation sind es noch rund fünf Minuten zu Fuß bis zum Cimitero Acattolico (Friedhof der Nichtkatholiken). Kaum durch das von Oleanderbäumen flankierte Eingangstor getreten, nimmt mich die ganz besondere Atmosphäre dieses Friedhofs gefangen. Hohe Pinien und Zypressen beschatten die rund 4000 Gräber. Dazwischen blühen wilde Rosen; Myrten und Lorbeer gehören ebenfalls zu Vegetation. Geschotterte Hauptwege verbinden die verschiedenen Friedhofsbereiche. Zwischen den teilweise eng an eng angelegten Gräbern führen kaum fußbreite Trampelpfade hindurch. So vielfältig wie die Grabsteine – von nüchternen Steinkreuzen, über pompöse Statuen und steinerne Symbole verschiedenster Religionen bis hin zu schlichten Grabplatten – so international die Herkunft der hier Bestatteten: Deutsche, Engländer, Griechen, Schweden, Russen, Österreicher, Dänen…, alle aufzuzählen, würde dauern.

Internationale Ruhestätte

Bis auf wenige Ausnahmen ruhen auf dem Privatfriedhof, der als einer der ältesten noch genutzten Friedhöfe Europas gilt, ausschließlich nicht katholische Nicht-Italiener, die zu ihrem Todeszeitpunkt in Italien wohnten. Darunter viele Künstler: Schriftsteller, Maler, Bildhauer. Goethes Sohn August wurde 1830 hier bestattet, nachdem er während einer Romreise verstorben war und Gottfried Semper, der Architekt der Semperoper in Dresden, fand hier 1879 sein letzte Ruhe. Das Grab des englischen Dichters Percy Bysshe Shelly wird ebenso regelmäßig von Literaturfans besucht, wie die letzte Ruhestätte des ebenfalls englischen Poeten John Keats, der im parkähnlich angelegten antiken Teil des Friedhofs liegt. Quasi zu Füßen der Cestius Pyramide, die im Jahre 16 v. Chr. als Grabmal für den Prätor Cestius Epulo erbaut wurde. Die Pyramide ist zwar nicht Teil des Friedhofs, durch ihre Funktion als Grabmal aber dennoch in engem Bezug zu diesem. Als Protestantischer Friedhof wird Cimitero Acattolico fälschlicher Weise häufig übersetzt. Eine Übersetzung, die nicht ganz korrekt wiedergibt, dass Gläubige verschiedenster Religionen auf dem Cimitero Acattolico ruhen. Der ist um 1716 entstanden, als im damaligen Rom viele italienbegeisterte Ausländer weilten und dort ergo auch verstarben.  Nicht ganz einfach, weil ausschließlich Katholiken in geweihter Erde katholischer Friedhöfe begraben werden durften, und viele der verstorbenen Ausländer eben keine Katholiken waren.

Damals lag das Gebiet des heutigen Friedhofs noch außerhalb der Stadt und die nicht katholischen ausländlichen Tote wurden bis dato eher entsorgt als bestattet. Manche, erzählt man, sollen im Tiber geendet haben, andere seine in ihre Heimatländer zurückgeschickt oder irgendwo verscharrt worden. Auf offizielle Anfrage gestattete Papst Klemens XI erstmals 1716 die Bestattung eines gewissen William Arthur aus Edinburgh im Schatten der Cestius Pyramide. Immer noch nicht ganz offiziell, meist nachts und bei Fackelschein wurde dort weiter beerdigt, und es braucht noch einmal gut 100 Jahre bis der Friedhof 1821 von Papst Pius VII offiziell eröffnet wurde.

Letzter Ruheort von Andrea Camillieri

 „Heute wird der Cimitero Acattolico von Vertretern fünfzehn in Rom ansässiger ausländischen Botschaften verwaltet und finanziert sich über Spenden sowie Bestattungs- und Grabinstandhaltungskosten“, erzählt Alberta Cappanni, die die Besucher über den Friedhof führt und einiges über die Geschichte dieses Ortes erzählen kann. Beispielsweise, dass zu den prominenten Italienern, die ausnahmsweise dort beerdigt werden durften der italienische Philosoph und Mitbegründer der kommunistischen Partei Italiens, Antonio Gramsci oder der erst im Sommer 2019 verstorbene Schriftsteller Andrea Camilleri, der die Krimifigur des sizilianischen Kommissar Montalbano erschaffen hat, zählen.  Ich könnte noch stundenlang über den Friedhof spazieren, die Stille und die besondere Atmosphäre genießen und immer neue Details entdecken oder eine der zahllosen Katzen beobachten, die zwischen den Gräbern leben. Denn im Laufe der Zeit hat eine der größten Katzenkolonien Roms, die Gatti della Piramide, auch den Cimitero Acattolico als Wohnsitz okkupiert.

Informationen:

Öffnungszeiten: Montag – Samstag 9 Uhr bis 17 Uhr, sonn- und feiertags 9 Uhr bis 13 Uhr, letzter Einlass jeweils ein halbe Stunde vor Schließung. Statt Eintritt wird um eine Spende gebeten. 

Essen & Trinken

Checchino dal 1887: Ganz in der Nähe des Cimitero Acattolico traditionell römisch essen: Spezialität hier ist der Ochsenschwanz „coda alla vaccinara“. Das Traditionsgericht geht auf Zeiten zurück, in denen die Arbeiter aus dem gegenüberliegenden, mittlerweile stillgelegten, Schlachthaus einen Teil ihres Lohns ins Lokal brachten. Der bestand aus den weniger beliebten Innereien und eben dem meist etwas streng riechenden Ochsenschwanz. Um den genießbar zu machen, fügte die Urgroßmutter der heutigen Betreiber dem Ochsenschwanz Tomaten, Nelken, Rosinen, Pinienkernen, Sellerie und etwas Bitterschokolade zu und kochte ihn stundenlang weich. www.checchino-dal-1887.com

Text und Bilder: Maren Recken

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