Auf einem Mountainbike-Trail ist die sogenannte Chicken Line, die am einfachsten zu fahrende Strecke, auf der die besonders schwierige Stellen umfahren werden. Für Elena Borroni ist Chicken Line ein Synonym dafür, die eigene Komfortzone zu verlassen, Grenzen zu überwinden und sich stetig zu verbessen. Und „Chicken Line“ ist der Name ihres Bikewear-Labels für Frauen.
Das Bikewear-Label „Chicken Line“
„Als ich ernsthaft mit Mountainbiken angefangen habe, hatte ich Schwierigkeiten spezielle Radbekleidung für Frauen zu finden, die gut sitzt, bequem ist und auch noch stylisch ansprechend ist. Damals sind in Italien ganz wenige Frauen Mountainbike gefahren. Notgedrungen habe ich oft Männeroutfits in S gekauft“, erinnert sich Elena Borroni. Beim Blick auf Fotos von damals rückblickend und mit einem Augenzwinkern bewertet sie, dass es schon peinlich gewesen sei, wie sie einst aufs Rad gestiegen ist. Aufgeben passt aber nicht zu Elena Borroni. Daher hat sie kurzerhand ihren Job in der Exportabteilung eines Herstellers für Elektronikkomponenten für Beleuchtungen gekündigt. 2017 hat sie mit dem Bikewear-Label „Chicken Line“ den Schritt in die Selbständigkeit gewagt und ihre erste Kollektion auf den Markt gebracht. „100% made in Italy, von den verwendeten Funktionsmaterialien, übers Design bis zur Herstellung“, wie Borroni versichert. Sie hat ihren Firmensitz in Mailand und vertreibt ihre Kollektionen hauptsächlicher via Internet.
Ist Radsport noch Männersache in Italien?
Radsport und Italien gehören für Borroni untrennbar zusammen, auch wenn sie kritisiert, dass dieser Sport auf der Halbinsel immer sehr von Männern dominiert gewesen sei und erst in den letzten Jahren auch zunehmend als Frauensport boomt. Das schlägt sich im Angebot an Frauen-Bikewear nieder, online wie im Einzelhandel. Dass das Angebot an spezieller Radmode für Frauen nach wie vor nicht so umfangreich ist wie für Männer, ist für sie eine logische Konsequenz des immer noch deutlich geringeren Frauen- als Männeranteils im italienischen Radsport. „Wenn kein Absatzmarkt vorhanden ist, investieren große Firmen auch nicht“, ist Borroni überzeugt. Anders „Chicken Line“: „Wir sind eine kleine, dynamische und vielseitige Firma und haben uns ganz bewusst auf Radmode für Frauen spezialisiert“, sagt die Italienerin. Mit ihrer Radbekleidung hat sie einen Männerschnitt nicht einfach verkleinert, um ihn für Frauen passend zu machen. Frauen haben andere Bedürfnisse als Männer nicht nur was, Farben und Design angeht, sondern auch von der Körperstatur her. „Die weibliche Anatomie ist ganz anders als die männliche, das muss man beim Entwurf der Schnitte immer vor Augen haben, beispielsweise für die Sitzpolter einer Radhose“, erklärt sie.
Einzigartiges made in Italy
Gestartet ist „Chicken Line“ als Bikewear-Label für Mountainbikerinnen und hat mittlerweile auch einzelne Kollektionsteile für Rennradfahrerinnen und Gravelbikerinnen im Programm. Demnächst soll noch eine Fitnesslinie an den Start gehen. Egal für welche Kollektion ihres Labels, eines ist Elena Borroni besonders wichtig: das 100% made in Italy. „Wenn ich mit einem Wort charakterisieren soll, was made in Italy für mich bedeutet, fällt mir Einzigartigkeit ein“, sagt die Unternehmerin. Sie überlegt nicht lange und zählt auf: Einzigartigkeit des Designs, Einzigartigkeit der Leidenschaft bei der Entwicklung und Produktion, sowie die Einzigartigkeit der italienischen Geschichte und Kultur. „Das alles spiegelt sich für mich im Konzept des made in Italy wider,“ betont sie. Deswegen leistet die sportlich ambitionierte Unternehmerin, die ihre Kollektionen auch selbst auf Herz und Nieren testet, auch gerne persönlich auf Radsportveranstaltungen Überzeugungsarbeit. Zuletzt auf dem Women’s Bike Camp am Reschensee. Einem Mountainbike Camp nur für die Zielgruppe von „Chicken Line“: radambitionierte Frauen, die sich aus der Komfortzone wagen und auf dem Trail nicht nur der Chicken Line folgen.
Informationen: www.chickenline.it
Fahrradfahren und Italien: „Italien ist für mich ganz und gar Fahrrad, von Norden bis Süden und es gefällt mir unheimlich gut, auf dem Rad unterwegs zu sein und die versteckten Schönheiten dieses Landes zu entdecken“, so Borroni. Sie nennt als Beispiel kleine Ortschaften, kulturelle Besonderheiten und kulinarische Köstlichkeiten. Die seien so vielfältig, dass es „unmöglich ist, jemals wirklich alle zu entdecken“. Umso mehr schätzt sie es, dass viele italienische Urlaubsdestinationen in den letzten Jahren verstärkt auf Radtourismus setzen. „Radtourismus ist vergleichbar mit Slow Food“, ordnet Borroni die Entdeckung Italiens per Fahrrad als den Tourismus für Genießer ein.
Text: Maren Recken – Bilder: Anne Kaiser; Aufmacher-Bild: “Chicken Line”