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San Pellegrino Terme: mit dem Bademantel ins Casino

In der Belle Époque war das lombardische San Pellegrino ein mondänes Thermalbad mit Spielcasino. Irgendwann hat der Ort im Valle Brembana etwas den touristischen Anschluss verpasst. Jetzt wurde das ehemalige Casino ins Thermalbad integriert – und San Pellegrino möchte wieder bei den gefragten Thermalbadeorten mitmischen.

„Reserviert für die Bewohner von San Pellegrino Terme“ steht auf der Tafel hinter dem Trinkbrunnen. Bis in die Mitte der 1960er Jahre habe sogar ein eigens dafür zuständiger Aufpasser darüber gewacht, dass auch wirklich kein Fremder aus besagter Quelle trinkt, erklärt die Stadtführerin. Mittlerweile wird das nicht mehr ganz so streng gesehen. Und wer im Bademantel das Jugendstil-Casino besucht, bekommt auch keinen Ärger. Im Gegenteil.

Ein weltbekanntes Mineralwasser   

Das Mineralwasser hat San Pellegrino bekannt gemacht. Abgefüllt in die unverkennbaren grünen Flaschen mit dem roten Stern auf dem Etikett wird es unter dem Namen S. Pellegrino weltweit exportiert und bei Tisch geschätzt. Wegen seiner heilenden Wirkung lockte es internationale Thermalbadegäste in das Brembana-Tal in der Lombardei und machte das gut 20 Kilometer von Bergamo entfernte San Pellegrino zu einem luxuriösen Thermalbadeort. Erst vom Adel, dann vom aufstrebenden Großbürgertum geschätzt und in Konkurrenz zu Badeorten wie Karlsbad, Baden Baden oder Bad Gastein. „Seine beste Zeit erlebte San Pellegrino während der Belle Époque“, erzählt Vittorio Milesi, Bürgermeister der lombardischen Stadt.

Die Belle Époque zu Gast in San Pellegrino

Mit etwas Fantasie fällt es leicht, sich die elegant gekleidete Gesellschaft vorzustellen, die zwischen Grand Hotel, Thermalbad und Casino das Leben feierte: baden, kuren, flanieren, aus dem Thermalbad in die Trinkhalle und weiter ins Casino. Wir schreiben das Jahr 1907 „Il Grande Kursaal“ wurde soeben eröffnet. Im Inneren des prachtvoll ausgeschmückten Jugendstilgebäudes geleiten große Säulen aus rotem Marmor aus Verona die Besucher zu einer imposanten Treppe. Die führt in den ersten Stock, in dem sich das Casino befindet. Auf der Flussseite, auf der das Casino errichtet wurde, wurde rund zwei Jahre später eine Standseilbahn erbaut. Unterhalb des Casinos fließt der Brembo, teilt San Pellegrino in rechts- und linksseitig des Flusses. Auf der dem Casino gegenüberliegenden Flussseite wurde bereits 1905 das Grandhotel eröffnet. Luxus für die immer zahlreicher nach San Pellegrino strömenden Gäste. Marmorbadewannen, Strom, Telefon und fließend Wasser in jedem der 130 Zimmer. Ein weiteres Hotel für die immer zahlreicher gewordenen Besucher. San Pellegrino lebte gut von seinem Wasser und mit seinen betuchten Gästen. Schnitt, Kopfkino Ende, wir kehren in die Gegenwart zurück. Von den rund zwanzig Hotels von einst, gibt es heute noch eine Hand voll.

Zwischen alten Zeiten und Gegenwart

Viele Gebäude wirken morbide verlassen, warten auf eine neue Bestimmung. San Pellegrino ist eine Kombination aus dem verblassten Luxus vergangener Zeiten und dem Willen, dem Ort die Faszination von einst zurückzugeben: angepasst an die Bedürfnisse heutiger Besucher. „San Pellegrino hat sich zu sehr auf seinen Lorbeeren ausgeruht und etwas den touristischen Anschluss verpasst“, bilanziert Bürgermeister Milesi nüchtern, um dann von seinen Plänen zu berichten. Die Stadt solle wieder der führende Kurort Italiens werden, mit dem Charme von einst und den Angeboten von heute. Und dabei erklärt er, warum er ein Shoppingzentrum bauen möchte. Dann führt er die Besuchergruppe zur Standseilbahn, die das Zentrum von San Pellegrino mit dem Ortsteil Vetta verbindet. Die in den 1970er Jahren stillgelegte Seilbahn wurde bereits renoviert. Die Eröffnung steht kurz bevor. Das Grand Hotel – mittlerweile im Besitz der Gemeinde und seit 1978 geschlossen – befindet sich in der Restaurierung. Die Verhandlungen darüber, wer es künftig betreiben soll, sind am Laufen.

Aperiterme: nicht nur Thermen

Die Thermen wurden bereits restauriert und erweitert. Seit Ende 2019 führt der Eingang durch „Il Grande Kursaal“ und jeden Abend erwarten die Thermenbesucher im ehemaligen Casino beim sogenannten Aperiterme – im Thermeneintritt inklusive – Prosecco und Häppchen. Wer zusätzlich zum Eintritt noch 24 € drauflegt, kann zur Mittagszeit im ehemaligen Casino auch einen Wellnesslunch genießen. Davor und danach bietet die Therme, die eine Kombination aus Jugendstil und moderner Architektur ist, vielfältige Möglichkeiten zum Relaxen: beispielsweise auf der Sonnenterrasse, im Außenpool, im Floatingbecken mit Unterwassermusik in verschiedenen Dampfbädern oder im Saunabereich. Mit zwei kleinen Besonderheiten: In die Sauna geht es in Italien grundsätzlich nur mit Badebekleidung. Zum Lunch und zum Aperiterme in San Pellegrino dürfen die Thermenbesucher nur in den weißen Bademänteln, die jeder Gast – zusammen mit einem Paar Flipflops – für die Zeit seines Thermenbesuchs ausgeliehen bekommt. „Wir möchten einfach, dass sich der Stil und die Eleganz der Therme auch in der Bekleidung der Besucher widerspiegelt“, erklärt die Dame am Empfang, während sie die Bademäntel überreicht. Für die Badegäste ist das kein Problem, schließlich kommt man nicht jeden Tag im Bademantel ins Casino.

Informationen: San Pellegrino Terme www.qcterme.com

Pasticceria Bigio: Eine Spezialität sollte man sich in San Pellegrino nicht entgehen lassen: Die sogenannten Bigio, im gleichnamigen Café erfunden und nach einem Geheimrezept hergestellte Mürbeteigplätzchen. Die Kenner schnuppern erst ausführlich an der süßen Verführung und genießen sie dann zusammen mit einem Espresso. www.bigio.info/pasticceria

Text und Bilder: Maren Recken

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